Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2023 – Fachkräftesäule, jede qualifizierte Tätigkeit erlaubt | Teil 2
Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) wurde vom Bundestag verabschiedet. Eine Revolution blieb aus, aber es wurde eifrig nachgebessert, was zu zahlreichen Veränderungen in der Praxis führen wird. Wir geben hier einen Überblick, führen die Neuerungen anschließend weiter aus und erlauben uns eine kritische Würdigung der neuen Einwanderungsregeln, die den Fachkräftemangel in Deutschland effektiv mildern sollen.
Der besseren Übersichtlichkeit haben wir den Gesamtbeitrag in mehrere Teile gesplittet. Zur besseren Lesbarkeit wird in das generische Maskulinum verwendet. Die Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.
Von Christoph Anders, Gesellschafter und Mitglied der Geschäftsleitung bei ANDERS CONSULTING Relocation Service
Teil 2: Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz 2023 (FEG) – die Fachkräftesäule und die Blaue Karte EU
Das neue Gesetz basiert auf drei Säulen: auf der Fachkräftesäule, der Erfahrungssäule und der Potenzialsäule. Die Fachkräftesäule bildet das eigentliche Fundament, auf dem das neue Gesetz errichtet wurde. Hier wird die Blaue Karte EU – nunmehr in einer eigenen Norm unter § 18g AufenthG geregelt. Die Neuerungen werden ab November 2023 Anwendung finden.
Die Blaue Karte kann nicht mehr nur für Tätigkeiten in jenem Berufsfeld, dem auch der Abschluss entspricht, ausgegeben werden kann, sondern für jede Tätigkeit mit Fachkräftestatus. Als Abschluss können nun neben akademischer Ausbildung auch in Deutschland anerkannte Berufsausbildungen für den Erwerb der Blauen Karte herangezogen werden. Wer Fachkraft im Sinne der Blauen Karte ist, kann also nahezu jede qualifizierte Tätigkeit aufnehmen. Der türkische Bauingenieur könnte nun auch in der Personalabteilung arbeiten, z.B. bei einem Baustoffproduzenten. Das erweitert den Rahmen und die Möglichkeiten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer erheblich.
Absenkung der Einkommensschwellen
Das FEG 2023 sieht vor, dass die Einkommensgrenzen für die Blaue Karte abgesenkt werden. Allerdings sind die Neuregelungen betreffend die Blaue Karte nicht eigentlich eine Initiative der Bundesregierung, sondern ein länger zurückliegender EU-Beschluss, dessen Umsetzung ohnehin schon lange überfällig war. Denn die Blaue Karte wurde am Ende EU-weit nicht so gut angenommen wie geplant und benötigt. Deutschland lag hier im Feld der EU-Staaten sogar noch einsam an der Spitze. Aber da geht mehr.
Überhaupt werden die Einkommensschwellen für einwandernde Fachkräfte abgesenkt. Künftig gilt ein Mindestgehalt von 45,3 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung. Für 2024 sind das, wenn man nicht in einem Mangelberuf arbeitet 45.300,00 Euro p.a. Für sogenannten Engpassberufe und Berufsanfängerinnen und -anfänger beträgt das Mindestgehalt im Jahr folgerichtig 2024 41.041,80 Euro p.a.
Zu sehr war die von der Agentur für Arbeit (ZAV) vorgegebenen Mindesteinkommen bisher offensichtlich ein Hemmschuh. Die Begründung war bisher immer, dass ausländische Arbeitnehmer keine unangemessene Konkurrenz für den inländisches Arbeitsmarkt darstellen sollten. Von dieser Ansicht hat man sich also offensichtlich gelöst.
Erleichterungen beim Arbeitgeberwechsel
Wer bislang mit der Blauen Karte den Arbeitgeber wechseln wollte, musste einen neuen Antrag auf Arbeitserlaubnis, bzw. einen langfristigen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung stellen. Die Voraussetzungen für die Blaue Karte wurden von der Ausländerbehörde neu geprüft. Nach 24 Monaten durfte man auch ohne Zustimmung der Ausländerbehörde den Arbeitgeber wechseln.
Mit dem neuen Gesetz wird ab November 2023 nach 12 Monaten überhaupt keine Erlaubnis der Ausländerbehörde mehr benötigt, nicht einmal das Zusatzblatt wird geändert. Zwar kann die Ausländerbehörde den Arbeitswechsel für 30 Tage aussetzen oder innerhalb dieses Zeitraumes den Arbeitgeberwechsel ablehnen, wenn die Voraussetzungen für eine Blaue Karte in dem neuen Beschäftigungsverhältnis nicht mehr erfüllt werden. Dann muss aber die Behörde tätig werden und nicht der Arbeitnehmer. Die 12 Monate rechnen sich ab dem ersten Tag der effektiven Tätigkeitsaufnahme, nicht nach dem Datum der Ausgabe des elektronischen Aufenthaltstitels.
Mit der Blauen Karte aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat nach Deutschland übersiedeln
Endlich wird nun auch der Bedeutung der Blauen Karte Rechnung getragen, die ein Grundgedanke bei ihrer Einführung war: Der erleichterte Wechsel in ein anderes Land der EU.
Generell gilt dann: Für einen Aufenthalt von maximal 90 Tagen dürfen Blaue Karte-Inhaberinnen und -Inhaber aus anderen EU-Staaten nach Deutschland einreisen und sich hier zum Zweck einer geschäftlichen Tätigkeit, die in direktem Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung steht, aufhalten und arbeiten. Hierfür ist weder ein Visum noch eine Arbeitserlaubnis erforderlich.
Nicht-EU-Bürger, die seit mehr als 12 Monaten über eine Blaue Kartte in einem EU-Mitgliedsstaat verfügen, erhalten nun bei Vorliegen der übrigen, d.h. der normalen Voraussetzungen auch in Deutschland auf Antrag eine Blaue Karte.
Inhaber einer Blauen Karte in einem anderen Mitgliedstaat, die die Karte schon seit 24 Monaten besitzen, müssen nicht mal mehr eine Anerkennung ihrer Berufsqualifikation nachweisen. Die Gleichwertigkeit wird in diesen Fällen schlicht angenommen, bzw. nicht mehr geprüft. Auch hier startete die Umsetzung im November 2023.
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