Deutschland braucht 400.000 zusätzliche Fachkräfte – ab jetzt jedes Jahr
Was läuft schief bei der Anwerbung von 400.000 Fachkräften im Jahr? Eine Analyse
Die Bundesagentur für Arbeit geht von einem zusätzlichen Bedarf von Fachkräften in Höhe von 400.000 Arbeitnehmern aus – wohlgemerkt pro Jahr. Die größte Gefährdung des Wohlstandes Deutschlands sind nicht die Globalisierung oder der Klimawandel: Die schwindende Fachkräftebasis wirkt viel fataler. Was können und müssen wir tun?
Von Christoph Anders, Gesellschafter und Mitglied der Geschäftsleitung bei ANDERS CONSULTING Relocation Service
Inmitten der Digitalisierung gehen uns die Fachkräfte aus. Wie kann das sein?
Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, sieht einen Bedarf von 400.000 Zuwanderern pro Jahr, denn es werden dauerhaft Fachkräfte fehlen. Dabei meint Scheele nicht Flüchtlinge, z.B. aus Afghanistan, unter denen auch qualifizierte Arbeitnehmer zu finden sein werden, sondern vor allem Fachkräfte in der Pflege, in technischen Berufen wie der Elektro- oder Klimatechnik oder in akademischen Positionen im Ingenieurswesen oder der IT.
Inmitten der Digitalisierung, die unter dem Verdacht steht, der größte Jobkiller aller Zeiten zu sein, gehen Deutschland auf Grund der demografischen Entwicklung die Arbeitskräfte aus. In den letzten Jahren hat die Bundesagentur für Arbeit nichts unversucht gelassen, Ungelernte zu qualifizieren und Menschen aus wegfallenden Jobs umzuschulen. Auch wenn die Lebensarbeitszeit zur Sicherung des Rentensystems noch einmal verlängert wird und das Renteneintrittsalter weiter steigt, es wird einfach nicht reichen. Und wo keine jungen Leute in ausreichender Zahl als qualifizierte Fachkräfte in den Arbeitsmarkt einsteigen, da geht der Wirtschaft schnell die Puste aus.
Corona hat alles noch mal schlimmer gemacht
Während Corona ist dann alles noch schlimmer geworden, denn laut Statistischem Bundesamt ist auch die Zahl der Neuanträge auf Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse 2020 um drei Prozent auf 42.000 gesunken. Genau das Gegenteil hätte passieren müssen, denn dazu hatte die Bundesregierung eigens das Fachkräfteeinwanderungssetz ins Leben gerufen und das beschleunigte Fachkräfteverfahren ins Werk gesetzt.
Das Gesetz hat seine Lücken und alles andere als unbürokratisch. Aber es funktioniert grundsätzlich. Durch den Wegfall der Vorrangprüfung und der Positivliste kann sich die deutsche Wirtschaft praktisch uneingeschränkt im Nicht-EU-Ausland mit akademischen und nicht-akademischen Fachkräften eindecken. Allein eine ausreichende Qualifikation und in den meisten Fällen Deutschkenntnisse reichen aus, um eine Stelle besetzen zu können.
Kritik verdient die bundesweit uneinheitliche Abwicklung des beschleunigten Fachkräfeverfahrens. Jede Ausländerbehörde einer Gemeinde tut in dieser Hinsicht so ziemlich was sie will. Dies müssen wir leider aus der Erfahrung der letzten eineinhalb Jahre als Immigration-Agentur deutlich sagen. Dadurch hat das Gesetz sehr viel von seiner möglichen Durchschlagskraft verloren. Viele Ausländerbehörden sind mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht voll vertraut oder setzen es nach persönlichem Gusto um. Die Verfahren sind auch nicht so schnell wie sie sein könnten. Arbeitgeber wie immigrationswillige Arbeitnehmer sind also zu Recht enttäuscht.
Wir brauchen kein Punktesystem, sondern engagierte Arbeitgeber, die professionell agieren
Die FDP fordert wie immer ein Punktesystem wie es Kanada und Neuseeland bereits hätten und beweist damit einmal mehr ihre Ahnungslosigkeit. Die größte Hürde ist die deutsche Sprache und ein Mangel an Willkommenskultur in den deutschen Chefetagen und Belegschaften. Dass Politik und Verwaltung besser wüssten, wer eine Arbeitserlaubnis, ein Visum und einen Aufenthaltstitel erhält, darf mehr als bezweifelt werden. Punktesysteme sind bürokratisch, langsam und unflexibel und daher genau das, was wir nicht brauchen. Der Markt regelt das besser. Das ist doch eigentlich das FDP-Mantra.
Allerdings müssen die Arbeitgeber nachsitzen, wie man im Ausland rekrutiert, eine fundierte und erfolgreiche Personalauswahl trifft, wenn es um andere Kulturkreise geht und wie man die gewonnen Fachkräfte gut in den Betrieb und sozial in das Leben in Deutschland integriert. So ist es bis heute nicht Standard, dass sich Unternehmen eine professionelle Agentur für die Anerkennung und das Visum oder für die Unterstützung des Onboardings und der Integration suchen.
Die Werkzeuge für die erforderliche Zuwanderung von Fachkräften sind da. Jetzt müssen die Betriebe sie auch nutzen
Die Werkzeuge für die Sicherung der Fachkräftebasis sind also da. Jetzt müssen sich deutsche Arbeitgeber nur noch wirklich um die besten Talente aus aller Welt bemühen, denn auch andere Länder sind attraktiv. Zu viel Arbeitgeber denken noch, dass es eine Ehre wäre in Deutschland leben und arbeiten zu dürfen. Aber nur weil viele Flüchtlinge Deutschland ansteuern, heißt das nicht, dass qualifizierte gewerbliche und akademische Fachkräfte das auch so sehen.
Die USA, Großbritannien, Kanada liegen in der Attraktivität vor Deutschland, obwohl die Einwanderung dort nicht leichter ist. Und wenn man sich anschaut, wie erfolgreich sich die diversen Länder sich auf dem Markt für internationale Fachkräfte positionieren, dann liegt Deutschland nur auf dem 16. Platz hinter Ländern wie z.B. Schweden, den Niederlanden, Großbritannien, den USA, Kanada, und Norwegen.
Das ist vor dem Hintergrund, dass Deutschland mit den USA zusammen weltweit die meisten Fachkräfte benötigt, beschämend. Deutschland – und nicht nur die Gesetze und Behörden – muss also für die qualifizierten Immigranten attraktiver werden. Mit unseren authentischen Releocation-Services, die wir seit 1998 unseren Kunden zur Verfügung stellen, können wir dabei große Erfolge erzielen.
Foto: Anders Consulting Relocation Service