Brexit-Update: Sozialversicherungs-Abkommen ab 2021

Brexit-Update: Sozialversicherungs-Abkommen ab 2021

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Brexit: 4 Szenarien für Sozialversicherungs-Abkommen ab dem 1. Januar 2021

Was passiert in der Sozialversicherung ab 2021?

+++ Die Europäische Kommission hatte im August 2020 kaum noch Hoffnung auf eine Einigung: „Selbst im Rahmen eines künftigen Partnerschaftsabkommens mit dem Vereinigten Königreich könnten potenziell nur bestimmte Sozialversicherungsansprüche sichergestellt werden.“ Fazit: Man wird sich auf einen abkommenlosen Zustand vorbereiten müssen. denn es ist mehr als unwahrscheinlich, dass bis Jahresende eine einvernehmliche Lösung gefunden wird. Die entsprechenden Fragen sind nun also noch zu klären. (Stand 29.12.2020) +++

Die Corona-Pandemie und die Rettungspakete der europäischen Regierungen haben ein wenig in den Hintergrund treten lassen, dass wir ja auch einen Brexit haben. Großbritannien ist draußen. Betreffend die Mobilität von Arbeitnehmern bleibt bis Ende 2020 noch alles beim Alten. Aber was kommt dann?

Die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit und die soziale Absicherung durch entsprechende Abkommen gelten noch bis 31. Dezember 2020 auf beiden Seiten der Nordsee. Das Angebot an die britische Regierung über eine Verlängerung ist im Juni verstrichen. Damit ist für Personalverantwortliche, die Entsendungen, d.h. Einsätze im jeweils anderen Land planen die Zukunft ab dem 1. Januar 2021 völlig offen. Die Unsicherheit bleibt entsprechend groß. Das fühlt sich erst mal nicht viel anders an als all die Fragen bezüglich des Home Office im Ausland und gestrandeter Arbeitnehmer während der Corona-Pandemie. Für bestehende Arbeitsverhältnisse mit britischen Staatsbürgern oder Neueinstellungen ist die Frage des Aufenthaltsrechts in Deutschland hingegen geklärt.

Ohne Top-Experte zu sein, kann man auch für 2021 den Rat geben, Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen zu gründen, wenn man als Unternehmen oder NGO in größerem Umfang auf Waren-, Dienstleistungs-, Wissens- oder Personaltransfers zwischen Großbritannien und Deutschland angewiesen ist. In Auslandsniederlassungen liegt ja auch ein Anker für entsprechende Mobilität mit Staaten, mit denen es keine oder nur rudimentäre bilaterale Vereinbarungen gibt, sozialversicherungstechnisch wie aufenthaltsrechtlich.

Szenario 1: Das Sozialversicherungs-Abkommen von 1960

Schauen wir uns vier mögliche Szenarien für die Zukunft an. Im ersten Szenario lebt das Sozialversicherungsabkommen von 1960 wieder auf. Mit vielen Ländern, die nicht in der EU sind, hat Deutschland solche Abkommen. Meist sind jedoch nicht alle Versicherungsarten erfasst: Kranken- und Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung und Unfallversicherung. Im Abkommen von 1960 mit Großbritannien fehlt z.B. die Arbeitslosenversicherung. Entsprechend braucht man für die Feststellung der Ausstrahlung in den Versicherungsarten, die im Abkommen genannt sind, keine A1-Bescheinigung, sondern das D-UK-101-Zertifikat. Und selbst dann müsste in den nicht versicherten Sparten eine private Vorsorge erfolgen.

Ob das Sozialversicherungsabkommen von 1960 aber wirklich noch rechtlichen Bestand hat, ist selbst unter Experten höchst umstritten. Auch die Briten selbst sehen einen schlafenden Status, der ohne expliziten politischen Akt nicht wieder in Vollzug käme.

Szenario 2: Austritt ganz ohne Sozialversicherungs-Abkommen

Das zweite Szenario ist sehr ähnlich wie das erste: Wird das Sozialversicherungsabkommen nicht wieder vollzogen, tritt Großbritannien ohne Sozialversicherungsabkommen aus der EU aus. Dann wäre man bei einer Entsendung in das jeweils andere Land in einem „sozialversicherungsfreien Raum“, d.h. ein Arbeitgeber muss im Prinzip alles doppelt zahlen, was erhebliche Mehrkosten bedeutet.

Für die Absicherung im Krankheitsfall muss dann beispielsweise im Ausland privat gesorgt werden. Das würde dann einen Status bedeuten wie eine Entsendung in Entwicklungsländer, mit denen Deutschland ebenfalls überwiegend keine Abkommen hat. Großbritannien wird diesen Status ab 1. Januar 2021 mit der ganzen EU haben. Da kann man mal sehen, was das Vereinigte Königreich sich mit dem Brexit eigentlich antut. Aktuell ist dies das Szenario mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit.

Szenario 3: Ein neues Sozialversicherungs-Abkommen

Im dritten Szenario verhandeln Deutschland und die Briten ein eigens Abkommen, so wie Deutschland es mit einer ganzen Reihe von Nicht-EU-Staaten geschlossen hat, z.B. mit Brasilien, China, Israel und der Türkei. Doch die Briten haben anders zu tun, schließlich haben sie ja ihren größten Handelspartner verloren. Da sind 26 Abkommen über Sozialversicherung mit den Ländern des Schengenraums nicht die allererste Priorität. Das werden auch fleißige britische Unterhändler kaum schaffen. Außerdem pfeift Großbritannien auf die Einhaltung von EU-Sozialstandards. Musterabkommen, die stark an die EU-Regeln angelehnt sind, sind also auch keine Alternative.

Szenario 4: Ein Assoziations-Abkommen wie mit der Schweiz

Eine weitere Lösung – das Szenario Nummer vier – könnte ein Assoziierungsabkommen sein, so wie es zwischen der EU und der Schweiz existiert. Jedoch besteht die Hürde darin, dass man im Moment von britischer Seite nicht verhandeln will und selbst die entsprechende Bereitschaft kaum zu einer schnellen Einigung führt. Die Briten und die EU reden ja nicht mehr richtig miteinander. Die Probleme haben also in etwa den Schwierigkeitsgrad des dritten Szenarios.

Oder was ganz Pragmatisches...?

Vielleicht ist ein informelles Abkommen ja die Lösung: Vor dem 31. Dezember ausgestellte A1-Bescheinigungen könnten einfach in Großbritannien für 24 Monate als fortbestehend akzeptiert werden. Dann wäre der Übergang wenigsten nicht so hart.

Personalverantwortliche sollten die rote Ampel beim Thema Sozialversicherungsabkommen sehr ernst nehmen, sich gut informieren und im Zweifel bei Entsendungen mit dem Schlimmsten rechnen.

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